Die Grundmotivation, die den Prozess des Lebens und damit die Begegnung in Bewegung halten, ist das Begehren.
Klären wir zumächst einige Begriffe unseres Themenfeldes: Motiv, Motivation, Emotion und Begehren, oder etwas weniger literarisch, dafür sachlicher, Bedürfnis. Die Hirnforschung weiß, Voraussetzung jeglicher Handlung ist die Aktivierung zentralnervöser Strukturen. Die Verknüpfung von Außenreizen und deren Erleben unter Vermittlung neuronaler Prozesse beschreibt die Psychophysik. Kommen zu diesen inneren Erregungen lustvolle oder unangenehme Empfindungen hinzu, handelt es sich um eine Emotion. Ich fühle mich wohl oder unwohl. Wird eine entsprechende Emotion mit einer Absicht , auf ein Ziel hin verknüpft, dann handelt es sich um ein Motiv. Dieses kennzeichnet eine Handlungsbereitschaft, während der Begriff Motivation den Prozess der Aktualisierung eines Motivs beschreibt, mithin mein Wollen.
Dieses immer lauter werdende „Ich will“ auf dem Weg des Menschen vom vorbewussten Säugling bis zum mehr oder minder bewussten Selbst des Erwachsenen äußert sich in vier wesentlichen Bestrebungen:
- Das Bedürfnis nach Selbstentfaltung und Selbstwerdung
- Das Bestreben, dazu zu gehören und sich dem Anderen zu öffnen
- Die Kraft der Wandlung als evolutionäre Kraft nach mehr Bewusstheit
- Die Kraft der Kontinuität und Beständigkeit
Diesen Werdungsprozessen sind in einer polaren Welt natürlich die komplementären Hindernisse zugeordnet. Sie äußern sich in korrespondierenden Ängsten:
- Die Angst und Scham vor dem Anderssein, dem Sonderssein und damit die Angst vor dem Isoliertsein und Ausgestoßensein
- Die Angst vor Abhängigkeit, Selbstverlust und Selbstaufgabe
- Die Angst im „normalen“ Kontext nicht mehr verstanden zu werden, nicht „normal“ zu sein, verrückt zu sein
- Die Angst vor dem Erstarren, der Unfreiheit und der Endgültigkeit
„Alles ist einfacher, als man denken kann,
zugleich verschränkter, als zu begreifen ist.“
Johann Wolfgang Goethe, Maximen und Reflektionen
Hanswerner Herber