Machen wir es uns noch einmal klar: Ich treffe auf jemanden (oder etwas), ich begegne ihm im landläufigen Sinne. Wirkliche Begegnung bedarf aber bestimmter Bedingungen, wie wir bisher schon festgestellt haben.
Bei unserer letzten Umkreisung des Begegnungsbegriffs haben wir mit der Freiheit des Wollens geendet. Freiheit also ist die Grundvoraussetzung, ohne die es nicht zu einer Begegnung kommt. Das bedeutet, dass ich mich überprüfe, ob ich um der Begegnung willen bereit zu Achtsamkeit und Zuhören bin, ohne die kein Dialog stattfindet. Anders formuliert: ich muss mich fragen, ob ich möglicherweise funktionalisiert bin durch eine eigene oder von einem anderen an mich herangetragene Absicht, einen Auftrag, eine Vorstellung. Dann trete ich quasi als Funktionsträger dem anderen in einem festgelegten Status entgegen. Von Freiheit keine Spur, solange ich nicht absichtslos werde. Freiheit bedeutet die Anerkennung des Du als Nicht-Ich, eben als Du, bedeutet, sich selbst als frei zu erkennen und anzuerkennen.
Indem ich die eigene Freiheit als Voraussetzung für das Wollen anerkenne, wird eine lebendige, gestaltende Kraft wirksam, die das trennende Nebeneinander zu einem bereichernden Füreinander wandelt.
Hanswerner Herber